Ich bin hauptberuflich im Bereich der Energieversorgung tätig und wurde daher jüngst auf einen Artikel in einer energiewirtschaftlichen Fachzeitschrift aufmerksam. Im Rahmen der sogenannten Sommerinterviews, präsentierte der Geschäftsführer der Stadtwerke Neu-Isenburg seine Pläne zur Dekarbonisierung der lokalen Wärmeversorgung.
Freudig wurde mitgeteilt, dass man in den nächsten 20 Jahren in Summe 225 Mio. EUR (also fast ¼ Milliarde) in die Hand nehmen wird, um im Ziel 2.500 Gebäude (von 8.000) im Stadtgebiet mit Wärme aus einem noch zu errichtenden Rechenzentrum zu versorgen.
Die Wärme aus dem Rechenzentrum hat eine Ausgangstemperatur von 30 Grad. Die Stadtwerke machen, mittels Großwärmepumpen daraus 70 Grad. Naturgemäß muss die Wärme dann über Leitungen noch zum Kunden, was auch kein Problem ist, denn dann wird eben 20 Jahre lang (ja so steht es in der Pressemeldung) gebuddelt und gebaut, was das Zeug hält. 20 Jahre in denen Straßen, Parkplätze und Gärten im Anschlussgebiet geöffnet werden, um neben den bestehenden Gasleitungen, zusätzliche Fernwärmeleitungen zu installieren. Im Stadtquartier Süd wird aktuell ohnehin gebaut, da ist es sicher noch zu verkraften, aber darüber hinaus?
In 2 Jahren, also 2027 soll es mit den ersten Baumaßnahmen losgehen, ab 2030 kann die erste Fernwärmeversorgung, im Stadtquartier Süd, erfolgen. Allein auf diese 1. Ausbaustufe mit rund 2.000 Wohnungen (Achtung Wohnungen, nicht Gebäude) entfallen Baukosten von rund 95 Mio. EUR.
95 Millionen bei 2.000 Wohnungen ergeben 47,5 TEUR pro Wohnung. Ist das viel? Nun, die Erstinstallation einer alternativen und hochmodernen Gasbrennwerttechnik inkl. allem Drum und dran für ein Einfamilienhaus mit 140 qm taxiert zwischen 12,5 TEUR und 22,5 TEUR. Je nachdem, ob mit oder ohne Solarthermieanlage. Und das ist schon hoch angesetzt, denn die meisten Wohnungen im Stadtquartier Süd befinden sich in Mehrfamilienhäusern, weshalb die tatsächlichen Kosten je Wohnung bei Installation einer Gasheizung sicher niedriger liegen. Ich will sie jetzt nicht mit so wahnsinnig vielen Zahlen belasten, aber ich halte fest: 25 bis 35 TEUR pro Wohnung MEHR bei Fernwärmeversorgung anstatt Gasanschluss. In Zeiten teuren Wohnraums nicht gerade die richtige Entwicklung.
Sind die Verbrauchskosten dann wenigstens niedrig? Natürlich wissen wir alle nicht wo der Gaspreis nächste Woche, nächsten Monat oder gar in 20 Jahren liegen wird. Daher kann hier nur ein Blick auf die aktuelle Marktlage ein Indiz liefern.
Eine am 13.08.2025 durchgeführte Recherche auf der Transparenzplattform waermepreise.info zeigt für aus Abwärme erzeugter Fernwärme (die meisten Fernwärmelieferanten heizen aktuell übrigens mit Gas) der Stadtwerke Hürth einen Preis von 11,88 ct/kWh, was ein herausragend guter Wert ist, weshalb er als wohlwollende Vergleichsbasis herangezogen wird. Für die Lieferung von Gas verlangen die Stadtwerke Neu-Isenburg aktuell 14,60 ct/kWh.
Damit wäre die Fernwärmeversorgung für eine 100 qm Wohnung bei geschätzten 14.000 kWh Verbrauch um 2,72 ct/kWh bzw. 380,- EUR/Jahr günstiger. Und so dauert es nur zwischen 65 und 91 Jahren, bis sich die Investition in das Fernwärmenetz amortisiert. Ja, ein Gasbrenner muss nach 20 bis 30 Jahren in Teilen getauscht werden, aber glauben Sie mal nicht, dass da bei der Fernwärmeleitung nicht auch was passiert.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir macht das alles keine Lust. Und ehrlich gesagt; bis auf den Anschluss des Stadtquartiers Süd sehe ich das auch nicht als umsetzbar an. Und selbst das wird sportlich.
Einen Anschlusszwang soll es nicht geben, was sehr zu begrüßen ist. Wobei ich mich dann schon frage, wie die Stadtwerke die Finanzierung sichern will. Wenn es dumm läuft, stehen da nur ganz hohe Schulden. Vielleicht bedeutet „kein Zwang“ am Ende aber auch einfach nur, dass die heutige Gasversorgung eingestellt wird?
Man hofft auf Steuer- ääh Fördergelder von Bund- und Land, in Höhe von rund 40% damit es lokal überhaupt zu stemmen ist. Aber auch dann nehmen die Stadtwerke (oder die Stadt?) in den kommenden Jahren wohl noch so einiges an Krediten auf. Um einen gewissen Robert H. zu zitieren: „Am Ende ist es nur Geld.“
Worauf ich aber, neben diesen „wirtschaftlichen Kleinigkeiten“, aufmerksam machen möchte: Wenn mir mein Strom oder Gasversorger heute zu teuer ist, dann wechsle ich innerhalb weniger Tage zu einem Günstigeren. Bei der Fernwärme geht das nicht. Einmal dran und dann ist man ist man dem lokalen Energieversorger, also dem staatlichen Monopol, ausgeliefert. Da waren wir schonmal weiter. Und was noch schlimmer ist: Keinen scheint das zu stören. Nur Jubelstimmung allenthalben.
Oder doch nicht? Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn über das, was da am Horizont steht und lassen Sie uns mit Ihrem Kommentar teilhaben.
Beim Hopper (öffentlich hochsubventioniertes Taxi) ist das ähnlich. Aber dazu nächste Woche mehr.


